Die Auswirkungen von Alphabetisierung auf die Befähigung von Individuen und die Transformation von Gesellschaften

Mehr als das bloße Lesen und Schreiben, bildet Alphabetisierung das Fundament globaler Entwicklung. Stellen Sie sich vor: Während Sie mühelos solche Artikel wie diesen durchblättern, auswählen und lesen, verfügen 763 Millionen Erwachsene (zwei Drittel davon sind Frauen) und 250 Millionen Kinder nicht über grundlegende Lese- und Schreibkenntnisse. Für sie bleibt ein Großteil der Welt ein geschlossenes Buch. 

Im Grunde geht es bei der globalen Alphabetisierung nicht nur um Lesen und Schreiben. Es geht darum, die Türen zu enormen Möglichkeiten zu öffnen. Sie ist ein Menschenrecht, ein Instrument zur Stärkung der Handlungskompetenz und ein Katalysator für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Fortschritt. Globale Alphabetisierung ist unser Tor zu einer gerechten, nachhaltigen und friedlichen Welt. Dieser Artikel befasst sich mit der transformativen Wirkung der Alphabetisierung auf den Einzelnen und die globale Gesellschaft.

Ein glückliches Schulmädchen mit einem Buch

Die weltweiten Alphabetisierungsraten ab dem 19. Jahrhundert

Zwischen dem 19. und dem 21. Jahrhundert machten die weltweiten Alphabetisierungsraten enorme Fortschritte. Im Jahr 1820 konnten nur 12 % der Weltbevölkerung lesen und schreiben. Bis zum Jahr 1900 stieg diese Rate nur langsam auf 21 % an. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts kam es jedoch aufgrund kultureller, technologischer und sozialer Veränderungen zu einem beschleunigten Wachstum. Bis 2023 stieg die Alphabetisierungsrate auf 87 % an. [1] 

Dieses Wachstum ist jedoch ungleichmäßig. Während Europa, die ehemaligen GUS-Staaten, Argentinien und Uruguay eine Alphabetisierungsrate von nahezu 100 % aufweisen, haben Südasien, Westasien und Afrika südlich der Sahara damit zu kämpfen. In Ländern wie Tschad, Mali, Südsudan, Niger und Burkina Faso liegt die Alphabetisierungsrate unter 40 %. [1]

“Wenn du einmal lesen gelernt hast, wirst du für immer frei sein.“ - Frederick Douglass

Entwicklung der Lese- und Schreibfähigkeit im Laufe der Jahrhunderte

Menschheit, einschließlich unserer Vorfahren und Nachkommen, durchläuft eine stetige evolutionäre Reise des Lernens und Wachsens in den materiellen, intellektuellen und spirituellen Aspekten des Lebens. Die Alphabetisierung ist die Initialzündung, die diese Reise in Gang setzt. Ohne sie sind wir unfähig, die Fackel in unseren Händen zu entzünden, um den Weg vor uns zu erleuchten.

Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt, indem wir die Alphabetisierung als ein grundlegendes Menschenrecht und eine wesentliche Komponente der Entwicklung anerkannt haben. Doch es liegt noch ein langer Weg vor uns. So wie ein Kind mit zunehmendem Alter verschiedene Stufen der Lese- und Schreibfähigkeit benötigt, um mit der Außenwelt zu kommunizieren und seine inneren Gedanken auszudrücken, so haben sich auch die Lese- und Schreibfähigkeiten und ihr Umfang im Laufe der Entwicklung von den alten Zivilisationen bis zur Moderne weiterentwickelt. Jede Epoche, die von verschiedenen kulturellen, intellektuellen, industriellen, technologischen, politischen, religiösen und sozialen Revolutionen geprägt war, hat die Wahrnehmung und Umsetzung von Lese- und Schreibfähigkeiten beeinflusst. Diese Entwicklung setzt sich auch heute fort, mit globalen Bewegungen und internationalen Maßnahmen, die Bildung und Alphabetisierung als grundlegende Menschenrechte und als Grundlage für den Aufbau einer widerstandsfähigeren, friedlicheren und nachhaltigeren Welt betonen.

UNESCO, 2009 [2]

Die sich entwickelnde Definition von Alphabetisierung über Lesen und Schreiben hinaus

Warum ist Alphabetisierung mehr als nur Lesen und Schreiben?

Hier ist die Antwort: Alphabetisierung, die Lesen und Schreiben als Grundfertigkeiten umfasst, steht in einem umfassenderen, komplexeren Zusammenhang mit Sprache. Dr. Ulrike Hanemann hat in ihrem Beitrag in der vom UNESCO-Institut herausgegebenen International Review of Education - Journal of Lifelong Learning (IRE) Alphabetisierung als „soziale Praxis" mit transformativem Veränderungspotenzial vorgestellt. Hanemann (2018) zufolge kann Alphabetisierung als ein mächtiges Instrument angesehen werden, das unsere Bestrebungen, unsere Selbstwahrnehmung, unsere gesellschaftliche Rolle, unser Verständnis von Macht und die Art und Weise, wie wir zu unserem sozialen Umfeld beitragen, gestalten kann. [3]

In der UNESCO-Empfehlung zur Erwachsenenbildung wird dieses Konzept noch erweitert. Sie sieht die Lese- und Schreibfähigkeit als „Schlüsselkomponente der Erwachsenenbildung, die ein Kontinuum von Lern- und Leistungsniveaus umfasst, das es den Bürgern ermöglicht, sich am lebenslangen Lernen zu beteiligen und in vollem Umfang an der Gemeinschaft, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft teilzunehmen. Sie umfasst die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben, zu erkennen, zu verstehen, zu interpretieren, zu kreieren, zu kommunizieren und zu rechnen, unter Verwendung von gedrucktem und geschriebenem Material, sowie die Fähigkeit, Probleme in einem zunehmend technologischen und informationsreichen Umfeld zu lösen. Alphabetisierung ist ein wesentliches Mittel zum Aufbau von Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen der Menschen, um mit den sich entwickelnden Herausforderungen und Komplexitäten des Lebens, der Kultur, der Wirtschaft und der Gesellschaft fertig zu werden (UNESCO und UIL, 2016, S. 7)." [4]

In dieser Hinsicht geht die Lese- und Schreibkompetenz über eine Reihe von Fertigkeiten oder Kenntnissen hinaus; sie umfasst auch Einstellungen, Werte und Motivationen, die die innere Welt eines Menschen und ihre Reflexion in der äußeren Welt prägen. Diese umfassende Perspektive auf die Alphabetisierung unterstreicht ihre entscheidende Rolle nicht nur für die persönliche Entwicklung, sondern auch als treibende Kraft für die globale Entwicklung.

UNESCO [5]

Globale Alphabetisierungsprinzipien

Mehrere Prinzipien dienen als Leitfaden, um Alphabetisierungsprogramme auf Ziele nachhaltiger Entwicklung auszurichten. Diese globalen Alphabetisierungsprinzipien dienen als Grundlage für die Gestaltung effektiver Alphabetisierungsprogramme, die zur globalen Entwicklung beitragen, indem sie Menschen befähigen, eigenständig zu lernen:

Globale Alphabetisierungsgrundsätze der UNESCO [6]

Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Alphabetisierung

Auch wenn seit dem 19. Jahrhundert Fortschritte erzielt wurden, stehen wir immer noch vor erheblichen Herausforderungen. Zu Beginn dieses Blogeintrags haben wir auf die grausame Realität von Millionen von Erwachsenen und Kindern - vor allem Frauen und Mädchen - hingewiesen, die Analphabeten sind oder nur über geringe oder grundlegende Lese- und Schreibkenntnisse verfügen. (Wenn Sie daran interessiert sind, lesen Sie mehr in unserem Blog, der sich mit den Herausforderungen der Bildung von Frauen und Mädchen befasst).

Wir stehen vor Herausforderungen in Bezug auf Gerechtigkeit, Qualität und Relevanz von Alphabetisierung und Bildung. Alphabetisierung ist ein grundlegendes Menschenrecht und ein Motor für Veränderungen, der nur dann aktiviert werden kann, wenn alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter usw., Zugang zu qualitativ hochwertigen und relevanten Alphabetisierungsprogrammen haben. Mit Relevanz meinen wir, dass die Alphabetisierungsprogramme in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen, Herausforderungen und dem Potenzial der jeweiligen Gemeinschaft konzipiert werden. Und mit Qualität meinen wir Alphabetisierungsprogramme, die das Potenzial haben, die Akteure des Wandels in jeder Gemeinschaft zu formen.

Schüler in einem afrikanischen Dorf gehen mit Leidenschaft dem Lernen im Freien nach.

Wie Sie Teil der Lösung sein können

Zur Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der globalen Alphabetisierung, einschließlich der Ungleichheit, der Ungerechtigkeit und ihrer Bedeutung für die globale Entwicklung, ist eine globale Zusammenarbeit unerlässlich. Dazu muss nicht jeder Pädagoge, NGO-Gründer oder Programminitiator werden, das wäre unrealistisch. Stattdessen können wir alle dazu beitragen, indem wir uns bewusst dafür entscheiden, über die Herausforderungen, Bedürfnisse und Möglichkeiten der Alphabetisierung weltweit informiert zu bleiben und einen Beitrag zu leisten, wann immer wir dazu in der Lage sind. 

Sie können die Alphabetisierung auf verschiedene Weise unterstützen und einen Beitrag zur globalen Entwicklung leisten, aber am einfachsten ist es, sich über die Bedürfnisse von Initiativen zu informieren und sich durch Unterstützung dieser Initiativen einzubringen. TwoWings unterstützt neben zahlreichen anderen Nichtregierungsorganisationen die von FUNDAEC entwickelten Bildungsprogramme, um die Akteure des Wandels auf der ganzen Welt zu stärken.

Beginnen Sie mit Ihrer Unterstützung für die globale Alphabetisierung, indem Sie hier klicken: Jetzt spenden

Referenzen:

[1] World Bank. (2022). Global Literacy Rates. Retrieved from https://data.worldbank.org/indicator/SE.ADT.LITR.ZS?end=2022&start=2022&view=bar

[2] Stromquist, Nelly P. "Literacy and Empowerment: A Contribution to the Debate." 2009, UNESCO, Document Code 2009/ED/BAS/BLE/PI/1. Retrieved from https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000187698

[3] Hanemann, Ulrike. (2015). Lifelong literacy: Some trends and issues in conceptualising and operationalising literacy from a lifelong learning perspective. International Review of Education, 61(1), 9-13. Retrieved from https://www.academia.edu/67998716/Lifelong_literacy_Some_trends_and_issues_in_conceptualising_and_operationalising_literacy_from_a_lifelong_learning_perspective

[4] UNESCO. (2016). The Impact of Adult Learning and Education on Health and Well-being; Employment and the Labour Market; and Social, Civic and Community Life (3rd Global Report on Adult Learning and Education, p. 7). Retrieved from https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000245913 

[5] Retrieved from https://www.uil.unesco.org/en/literacy/global-alliance

[6] UNESCO. (2016). The Impact of Adult Learning and Education on Health and Well-being; Employment and the Labour Market; and Social, Civic and Community Life (3rd Global Report on Adult Learning and Education, p. 46). Retrieved from https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000245913